Stadionkonzepte – So geht Nachhaltigkeit

    Wie man erfolgreich ein Minergiestadion betreibt zeigt das Beispiel der Bossard Arena

    Die Planungsbeauftragten für die neuen Eishockeystadien kamen schon vor Jahren aus allen Teilen des Landes, um sich einen Einblick in das nachhaltige Stadionkonzept der Bossard Arena in Zug zu verschaffen: Denn den Zugern ist mit dem Minergiestadion ein echter Volltreffer gelungen.

    (Bilder: JoW) Die Bossard Arena setzte schon 2010 Nachhaltigkeits-Massstäbe für Eissportarenen.

    Die Bossard Arena machte den Anfang – Denn vor einigen Jahren entstand das bis vor kurzem einzige nationalligataugliche Eisstadion der Schweiz mit Minergie-Standard. Gleichzeitig war die Arena 2010 nach zwei Jahren Bauzeit (Kostenpunkt: 61 Millionen Franken) das erste von Grund auf neu erstellte NLA-Stadion seit 30 Jahren. «Vor einigen Jahren hatte ich bereits Besuch aus Langnau beispielsweise, als die neue Ilfishalle gebaut und modernisiert wurde. Danach kamen die Bieler und zuletzt auch die Fribourger. Es macht uns stolz, dass wir Standards gesetzt haben», sagte Ex-Bossard Arena Geschäftsführer Jürg Casalini im Interview stolz. Kein Wunder, ist doch das Minergie-Stadion-Konzept sehr gut durchdacht und besonders bei den als Energieschleudern verschrieenen Eishockeystadien auf der ganzen Linie eine Win-Win-Situation.

    Gewiss, es gibt auch «klimaneutrale Events» (so zum Beispiel das weltweit hoch dotierte Leichtathletik-Meeting «Weltklasse Zürich» im Letzigrund) und Fussballstadien nach Minergie-Standard wie beispielsweise jene in Thun und Luzern. Die beiden Arenen haben aber auch noch eine weitere Gemeinsamkeit. Die beiden relativ neuen Schweizer Fussball-Arenen (seit 2011) wurden als erste grosse offene Sportstadien nach dem Baustandard Minergie zertifiziert. Die Arena Thun trägt die Zertifikatsnummer BE-1970 und die Swissporarena in Luzern die Nummer LU-454.

    Neben der Arena in Thun-Süd steht ein Einkaufszentrum, die Swissporarena gehört zu einer Überbauung mit Hallenbad, Turnhalle, Einkaufszentrum sowie zwei Wohntürmen. Auch die Gebäude, die zur Mantelnutzung gehören, wurden nach Minergie zertifiziert. Die Arena Thun kostete rund 40 Millionen Franken, die Swissporarena fast das Doppelte.

    Jürg Casalini, bis Ende 2019 der «Tätschmeischter» in der Bossard Arena

    Erstes Stadion mit Minergie-Standard
    Die Bossard Arena ist ebenfalls eine Meisterleistung, die höchsten Ansprüchen der Nachhaltigkeit im Bereich des alltäglichen Betriebes genügt. In der Heimspielstätte des Schweizer Eishockey-Topclubs EV Zug ist bis ins Detail alles auf Synergien und Energieoptimierung ausgerichtet. Der Ex-Bossard Arena Geschäftsführer Jürg Casalini (ging Ende 2019 in den verdienten Ruhestand) in einem an dieser Stelle vor drei Jahren publizierten Interview: «Mit unserem System, welches erlaubt mit Seewasser zu arbeiten, verbinden wir natürlich viele Synergien. Die Kompressoren und Wärmepumpen der vier Eisfelder inklusive einer Curling-Spielfläche werden  mit fünf Grad warmem Seewasser versorgt und später aber auch wieder ökologisch sauber in den See-Kreislauf wieder entlassen. Meist auch noch deutlich kühler als ursprünglich bezogen. Dies verhindert Algenbildung und ist wichtig für die Lebewesen im See. Mit der Abwärme können wir nicht nur das Eishockeystadion heizen, sondern auch noch das nebenstehende Hochhaus, die gegenüberliegende Wohnüberbauung und die Trainingshalle. Wir verzichten komplett auf eine Ölheizung. Der Clou am Ganzen ist ja, dass wir durch dieses System die Energiekosten auffangen, indem wir den anderen Bezügern einen Teil davon verrechnen.»  Im Winter, wenn die Eisfelder in Betrieb sind, wird die entstehende Abwärme zusätzlich genutzt um die Bossard Arena und die umliegenden Infrastrukturen zu beheizen.

    Drei frequenzgesteuerte Kolbenverdichter und drei Wärmepumpen leisten ganze Arbeit!
    Möglich wird dies vor allem durch die effiziente ­Verwendung der eingesetzten Energie. Im Stadion arbeiten im Maschinenraum drei frequenzgesteuerte Kolbenverdichter und drei Wärmepumpen. Die Kälteleistung total liegt bei 1Megawatt, die Heizleistung der Anlage bei 1.7 Megawatt.Was an Abwärme anfällt, wird also konsequent weiterverwendet. Die Wärmeabgabe im Stadion erfolgt ausschliesslich über eine Bauteilheizung (Rohre in Beton). Die Lüftungsanlagen und Hallenklimaanlage werden mit ledi­glich 32 °C Vorlauftemperatur aus der Wärmerückgewinnung betrieben. Zudem werden mit einem Nahwärmeverbund das Hochhaus, die Schutzengel-Überbauung und die Sporthalle über eine Wärmepumpe versorgt. Sie gewinnt die notwendige Heizleistung über die Wärmerückgewinnung aus der Eiserzeugung. Reicht das nicht aus, wird Wärme aus dem Seewasser gewonnen. Mit diesem Konzept erübrigt sich die Abwärmevernichtung im Zugersee, wie sie beim alten Hertistadion nötig war. Die gesamte Abwärme aus der Eiserzeugung der beiden Eisfelder wird im Normalbetrieb für die Beheizung und Trinkwassererwärmung aller im Wärmeverbund angeschlossenen Verbraucher weiterverwendet (Quellen: minergie.ch und baublatt.ch). Für die gesamte Kälte- und Wärmerzeugung wird umweltfreundliches und energieeffizientes Ammoniak eingesetzt. Die Eisfeldkühlung von Halle und Aussenfeld erfolgt mit Kohlendioxid. Der Stadion-Baukörper dient als Wärmepuffer, um die Abwärme durch Zwischenlagern effizient zu nutzen. So kann in den Zeiten, in denen die Verdichter auf hoher Last arbeiten, die Abwärme gespeichert, später dem Beton wieder entzogen und für die Heizung und Lüftung genutzt werden. Auf fossile Energieträger wird beinahe ganz verzichtet, lediglich in der Entfeuchtungsanlage wird Erdgas verwendet. Sie verhindert, dass sich in der Halle Nebel bildet (Quelle: www.harteworte.ch)

    Insgesamt ist die Win-Win-Situation mit allen Beteiligten sehr augenfällig. Denn selbst die Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach, welches der Bossard Arena nur marginal nutzt, bringt einen Nutzenfaktor: Die Wasserwerke Zug erhalten die 3000 Quadratmeter Fläche, konnten die 2050 Solarmodule installieren und somit 200’000 Kilowattstunden produzieren. Gleichzeitig beteiligt sich die Stadt Zug mit jährlich 200’000 Franken am Unterhalt der Eishallen (die Kunsteisbahnen gehören der Stadt, der EV Zug ist Hauptmieter) und man erhält bald eine halbe Million Franken Kredit für eine neue Sprühfluh-Anlage. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen.

    Effizienter Einsatz der gewonnenen Energie im Zuger Eisstadion.

    Umstellungen von Winter auf Sommerbetrieb
    Bei der Planung der Bossard Arena war es die oberste Prämisse zu verhindern, dass Kunsteisbahnen ihren Ruf als Energieschleudern zementieren. Die neuen Generationen von Stadien, speziell die  Eisarenen, sollen energieeffizient sein, eine Wärmerückgewinnung auf allen Stufen maximal nutzen, technisch und praktisch sinnvolle Lösungen einsetzen und ein grosser Energieumsatz mit möglichst wenig Primärenergie erzielen. Dies ist in Zug offenbar sehr gut gelungen. Optimierungen sind gemäss Jürg Casalini noch möglich. Die grösste Herausforderung für das Personal waren jeweils immer die Umstellungen von Winter-  auf Sommerbetrieb und die Planungen rund um die Playoffzeit im März und April.

    Joël Wüthrich


    Das Minergie-Stadion

    Die Bossard-Arena ist das erste Eisstadion in der Schweiz, welches nach Minergiestandard gebaut wurde. Die meiste Energie wird aus dem 5 Grad warmen Seewasser durch Wärmeaustausch gewonnen. Eine zusätzliche Stromerzeugung findet mit einer Solaranlage auf dem Dach der Arena statt. 3000 Quadratmeter total beträgt die Solarfläche, welche Strom liefert. Die Abwärme wird weiter genutzt für ein Hochhaus, drei Wohnblöcke und eine Sporthalle.

    Die Bossard-Eisfläche in Zug ist 30 Meter breit und 60 Meter lang. Im Total beträgt die Eisfläche 1800 Quadratmeter. 54 Kubikmeter Wasser benötigt man für die Produktion des Eises. Eine 4,5 Zentimeter dicke Eisschicht bedeckt die Kühlrohre. In diesen Stahlrohren fliesst CO2 (Kohlendioxyd) hindurch, welches kühlt und Eis produziert. Wenn man die Rohre zusammenlegen würde, ergäbe dies eine Strecke von 21,5 Kilometern Länge. Die Stromkosten für das Eis betragen ungefähr 40’000 bis 50’000 Franken pro Monat im Winter. Auch ein öffentliches Eisfeld gehört dazu. Die Ausschreibung erfolgte übrigens über einen Wettbewerb. Bei der «Eisplanung» machten die Zuger Firma Hans Abicht AG als Ingenieure für die Gebäudetechnik Heizung, Klima, Kälte zusammen mit der BBP Ingenieurbüro als Subplaner das Rennen und übernahmen die Planung der Industriekälte zur Eisproduktion und der Heizungs- und Lüftungsanlagen. Diese Aufgabe erhielten sie sowohl für den Bereich der Bossard Arena wie auch für das neue Hochhaus Uptown Zug.
    Quellen: minergie.ch und www.harteworte.ch


    Bossard Arena – Die Fakten

    • Volumen: 114’000 m³
    • Betonkubatur: 13’800 m³, entsprechen 2100 Fahrmischern
    • Armierung: 1’850’000 m³ Baustahl
    • Schalung: 52’000 m²
    • Aushubmaterial: 75’000 m³
    • Dachträger: Gesamtlänge 110 m, davon 32 m auskragend und 74 m freigespannt über Halle; 720 t Stahl, aufgeteilt auf 19 Träger
    • Hallemasse: Länge 94,9 m, Breite 76,4 m, Grundfläche 7250 m2, Höhe zwischen 13,2 und 18,1 m ab EG, zwischen 22,6 und 17,7 m ab OK Eisfläche, tiefster Punkt über Eisfeld 14,1 m (ohne Videowürfel)
    • Platzangebot: 7015 Plätze, davon 2’735 Stehplätze (Gast) und 4’280 Sitzplätze
    • Eisfeld: Mehrschichtiger Aufbau mit Unterfrierheizung, 14 cm Isolation, Verteilplatte und Eisplatte. Kälteverteilung mit flüssigem CO2. 21,5 km geschweisste Stahlrohre zur Zirkulation
    • Abwärme für die Raumheizung, Lüftung und Warmwasser: 2’280’000 kWh/Jahr, entsprechend 201’000 kg Heizöl/Jahr (= ca. 7 Tanklastwagen)
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