Schluss mit der faktenfremden Umwelt- und Energiepolitik

    Mit ihrer Verengung auf den Klimaschutz gefährden die links-grünen Parteien eine ganzheitliche Umweltpolitik. Schaden nimmt die Natur auch durch das ideologische Ausblenden des Faktors Zuwanderung. Ich fordere deshalb eine ehrliche und transparente Information der Bundesbehörden. 

    Die links-grünen Parteien brüsten sich mit ihrer Umweltpolitik als die einzigen Vertreter der Wissenschaft. Mit dem Argument der Erreichung der Klimaziele soll der Mittelstand mit neuen Bevormundungen zur Kasse gebeten werden. Dieses ideologische und faktenblinde Verhalten führt die Schweizer Umwelt- und Energiepolitik ins Abseits und verschlimmert ironischerweise die Umweltprobleme sogar noch mehr. Der Blick verengt sich auf das Thema CO2, das Klima und Verbote, anstatt die Umwelt und Energie ohne ideologische Scheuklappen und ganzheitlich zu betrachten. Umweltschutz bedeutet auch, der Klimaerwärmung entgegenzuwirken, aber eben nicht nur. Das Thema Umwelt ist viel vielschichtiger, und beinhaltet nicht bloss das Klima, sondern auch Themen wie den Ressourcenverbrauch.

    Verweigerung der faktenbasierten Debatte
    In der Diskussion um die Sicherstellung einer zuverlässigen Energieinfrastruktur, der Erreichung der Pariser Klimaziele, beim Biodiversitätsschutz und der Erhaltung von Grünflächen für die Landwirtschaft wird von gewisser politischer Seite – wider besseres Wissen – das ungebremste Bevölkerungswachstum als einer der zentralsten Treiber komplett verschwiegen. Wenn gerade zweckmässig, referenziert sich die links-grüne Politik auf Pro-Kopf Werte (z.B. bei der Wohnfläche und Verkehr), dann aber wieder auf die Absolutwerte (Treibhausgase, Strom, Gesamtenergieverbrauch). Es wird bewusst immer gerade die Perspektive gewählt, die besonders nützt, egal ob es sachlich passt oder nicht. Dieses unwissenschaftliche Vermischen verfälscht die Schlussfolgerung total und missachtet die effektiv erzielten Ersparnisse und Bemühungen der Bürger. 

    Traurig ist, dass dieses rosinenpickerische Verhalten am Ende zulasten der Schweizer Natur geht, welche angeblich geschützt werden soll; es droht ein Strommangel, die Pariser Klimaziele können nicht erreicht werden, die Biodiversität schwindet und landwirtschaftliche Grünflächen werden trotz verdichtetem Bauen ungebremst weiter zubetoniert. Leidtragende dieser Heuchlerei und Doppelmoral ist also am Ende die Schweizer Umwelt. Dabei würde ein Blick in die Statistiken der Bundesämter genügen, um die Konsequenzen des massiven Bevölkerungswachstums zu erkennen. Denn man sieht leicht: Das ignorierte Bevölkerungswachstum macht alle Bemühungen und technischen Fortschritte der Bevölkerung (Pro-Kopf-Werte) zunichte.

    Bevölkerungswachstum
    Die Bevölkerung der Schweiz ist seit 2000 um ca. 1.5 Millionen Menschen angewachsen, jedes Jahr um eine Stadt St. Gallen. Betrachtet man Zahlen der UNO wird schnell ersichtlich, wie stark dieses Wachstum im Vergleich zum Umland ist. Seit 2000 wuchs die Schweiz relativ gesehen um 21%, was 16mal mehr ist als Deutschland (1.3%). Selbst in ganz Europa belegen wir mit Abstand den Spitzenplatz bezüglich Bevölkerungswachstum. Kein anderes, grösseres europäisches Land wuchs so schnell wie die Schweiz. Gemäss den Daten des Bundesamtes für Statistik ist der Haupttreiber des Bevölkerungswachstums (ca. 80%) die starke Nettomigration in die Schweiz, insbesondere aus den EU- und EFTA-Staaten. Nebst negativen Auswirkungen wie steigende Bodenpreise, Mietzinsen sowie Druck auf die Löhne wächst auch die Ressourcennachfrage und -knappheit. Dennoch wird dieses Thema von der Politik bewusst ausgeblendet. Doch die negativen Konsequenzen für die einzelnen Umweltthemen sind unbestreitbar, wenn man die Statistiken der Bundesämter betrachtet.

    Strom
    Eine zuverlässige Stromversorgung ist fundamental für eine funktionierende Wirtschaft und soziale Gesellschaft. Dennoch wird die Gewährleistung einer sicheren Stromversorgung gemäss Studien der ElCom, der EMPA als auch der ETH Lausanne in absehbarer Zukunft eine riesige Herausforderung für die Schweiz sein. So prognostizierte die EMPA eine massive Stromlücke in absehbarer Zeit. Unter dem Strich müssen bis 2050 rund 40 TWh der Jahresproduktion ersetzt werden, entsprechend rund ¾ der gesamten heutigen Stromproduktion; dies infolge von Verbraucheranstieg (+13.7 TWh), der Ausserbetriebnahme der Kernkraftwerke (-24 TWh) sowie Verlusten bei der Wasserkraft durch höhere Restwassermengen (-3.7 TWh). 

    Das Potenzial des Wasserkraftausbaus ist leider beschränkt (maximal 5% Ausbaukapazität bis 2050). Um die Schweiz grossflächig mit erneuerbaren Energien zu versorgen (Solar, Wind), sind massive saisonale Speichermöglichkeiten notwendig. Die jetzigen Pumpspeicherkraftwerke müssten gemäss einer Studie des Paul Scherrer Instituts (PSI) um das 40- bis 60-Fache der jetzigen Kapazitäten ausgebaut werden (2-3 TWh), was mehr wäre als das Ausbaupotential der gesamten Wasserkraft. Interessant ist jedoch, dass von 2001 bis 2019 der Stromverbrauch pro Kopf um 10.3% abgenommen hat. Herr und Frau Schweizer brauchen also pro Kopf weniger Strom als noch vor 20 Jahren. 

    Dennoch: Die absolute Nachfrage nach Strom stieg im selben Zeitraum um 6.4%, oder in Zahlen: 3.5 TWh. Als Vergleich: Dies ist mehr als die jährlich produzierte Energie des Kernkraftwerks Mühleberg (2.95 TWh), welches sich gerade im Rückbau befindet! Mobilität und Heizung sollen auf Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen umgestellt werden. Auch diese benötigen Energie und Ressourcen. Eine sofortige Umstellung aller Gas- und Ölheizungen auf Wärmepumpen und dergleichen würde einen Strommehrbedarf von 9.9 TWh verursachen. Reine E-Mobilität würde einen Mehrbedarf von 12.5 TWh generieren, zusammen also 22.4 TWh. Dies entspricht der Produktion aller Atomkraftwerke zusammen (22.7 TWh; Beznau 1 und 2, Gösgen und Leibstadt), welche gemäss Mitte-links baldmöglichst vom Netz genommen werden sollen. 

    Treibhausgasemissionen
    Auch bei den Treibhausgasemissionen sind die negativen Auswirkungen des Bevölkerungswachstums unübersehbar. Gemäss den Daten des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) sind die Treibhausgasemissionen pro Kopf zwische 1990 bis 2019 um 33.2% gesunken. Jeder Einzelne von uns stösst also dank unseren Bemühungen und dank technischen Innovationen in der Schweiz weniger Treibhausgase aus. Diese Bemühungen hätten locker ausgereicht, um als eines der einzigen Länder weltweit die Zwischenziele des Pariser Klimaabkommens (20% Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2020) zu erreichen. Aufgrund des Bevölkerungswachstums von ca. 28% in derselben Zeit ist der absolute Ausstoss (welcher relevant für das Klima ist), jedoch nur um 14.5% gesunken, und die gesetzten Ziele konnten nicht erreicht werden. Die Bemühungen der Bürgerinnen und Bürger und die technologischen Fortschritte mit dem Ziel, Treibhausgasemissionen in der Schweiz zu senken, wurden durch das Bevölkerungswachstum grösstenteils zunichte gemacht. Dennoch wurde dies während der politischen Diskussion um das CO2-Gesetz vergangenen Jahres mit keiner Silbe von links-grüner Seite erwähnt.

    Lösungsansätze
    Der erste Schritt zur Lösung eines Problems ist dessen Anerkennung. Aus diesem Grunde forderte ich in dieser Frühlingssession den Bundesrat auf, dass die Zahlen des Bundesamts für Umwelt künftig konsequent sowohl Pro-Kopf-Werte als auch das Total zeigen müssen. Es muss klar, ehrlich und wahrheitsgetreu über die Konsequenzen des Bevölkerungswachstums auf die Energie- und Umweltpolitik informiert werden.

    In einer zweiten Motion, welche ebenfalls eingereicht wurde, wird verlangt, dass die Zuwanderung so zu regulieren ist, dass die Schweiz eine Chance erhält, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Der Haupttreiber des Bevölkerungswachstums ist die Nettozuwanderung durch die Personenfreizügigkeit (PFZ) mit der EU. Notwendig ist deshalb eine Revision des EU-Freizügigkeitsabkommens mit der EU von 1999, unter Anrufung von Artikel 14, Absatz 2 des Abkommens, welcher besagt, dass bei schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Problemen der zuständige Ausschuss zusammentritt, um geeignete Abhilfemassnahmen zu evaluieren. Der Bundesrat wird aufgefordert, von diesem Artikel Gebrauch zu machen, um die negativen Konsequenzen in Bezug auf die Umwelt- und Energiepolitik zu bekämpfen.

    Mike Egger
    Nationalrat (SVP), Fleischfachmann mit Executive EBA der
    Fachhochschule Graubünden

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