Pestizidbelastetes Wasser direkt aufs Gemüse?

    Der Klimawandel ist bereits spürbar. Der Sommer wird zunehmend trockener. Wegen der Trockenheit entnimmt die Landwirtschaft mehr Wasser aus verschiedenen Bächen, um beispielsweise Gemüse künstlich zu bewässern. Dabei wissen wir, dass unsere Fliessgewässer durch Pestizide belastet sind.

    (Bild: © Shutterstock / Rostislav Stefanek) Nicht mehr so gesund wie ein Fisch im Wasser: Äsche (Thymallus thymallus).

    Jedes Jahr sind es rund 2’000 Tonnen an Fungiziden, Herbiziden und Insektiziden, welche die Schweizer Bauern über ihre Felder spritzen – über fünf Tonnen pro Tag. Die Pestizide werden direkt und über Drainage in die Gewässer gespült. Verschiedenste Pestizide und ihre Abbauprodukte vermischen sich zu einem Giftcocktail. In den Wasserproben von untersuchten Bächen wurden mehrfach über 100 verschiedene Wirkstoffe gefunden. Die Qualität des Wassers ist alarmierend: Die Konzentration der einzelnen Pestizide liegt oft über dem Grenzwert.

    Giftcocktail in Gewässern
    Seit dem 1. Januar 2020 ist die Nutzung von Chlorothalonil in der Schweiz verboten. Doch die Altlasten verschwinden nicht von heute auf morgen. Auch im Aargau wurden Rückstände von Chlorothalonil sogar im Grundwasser gefunden und Wasserfassungen auf Anweisung des Amtes für Verbraucherschutz stillgelegt.

    Der Pestizid-Cocktail in unseren Gewässern hat verheerende Folgen: In unseren Gewässern verenden Kleinlebewesen, die einen wichtigen Beitrag zu unserem Ökosystem leisten. Bachflohkrebse beispielsweise reagieren extrem sensibel auf die sich verschlechternde Gewässerqualität. Ein tiefer Bestand der Tierchen zeigt, dass mit dem Ökosystem etwas nicht stimmt. Das Schweizer Wasserforschungsinstitut Eawag untersuchte bereits zwischen 2006 und 2010 das Vorkommen des Bachflohkrebses im Kanton Aargau. Gemäss diesen Studien fehlten die Tiere an jeder zehnten der 613 untersuchten Stellen und tauchten bei fast jeder vierten Stelle höchstens vereinzelt auf.

    (Bild: © Verena Lubini) Bachflohkrebse ernähren sich von Falllaub im Wasser. Sie sind ihrerseits eine wichtige Nahrungsquelle für Fische.

    In Zeiten zunehmender Trockenheit und des Klimawandels wird die Landwirtschaft vermehrt darauf angewiesen sein, Wasser aus den Bächen für die Bewässerung der Kulturen zu entnehmen. Insoweit die Bäche mit Pestiziden angereichert sind, wird die Landwirtschaft diese Pestizide mit der Bewässerung unseres Gemüses wieder in den Kreislauf bringen. Das Pestizid landet schliesslich auf unserem Teller!

    Bevor die Landwirtschaft bei Trockenheit das durch Pestizide belastete Wasser für die Bewässerung der Kulturen nutzt, sollte unbedingt der Pestizidgehalt geprüft werden. Wir müssen wissen, wieviel Pestizid wir über bewässertes Gemüse aufnehmen und welche gesundheitlichen Folgen dies haben kann.

    Umdenken im Umgang mit Pestiziden
    Es braucht ein grundlegendes Umdenken im Umgang mit Pestiziden: Nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch im Gartenbau, im Schienenunterhalt oder im Privathaushalt. Dass es funktionierende Alternativen zu den Pestiziden gibt, beweist die biologische Landwirtschaft bereits heute. Im Biolandbau werden keine chemisch-synthetischen Gifte eingesetzt. Dies schont nicht nur die Natur, sondern auch das Portemonnaie von uns allen.

    Matthias Betsche,
    Geschäftsführer Pro Natura Aargau

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