Mit Genomeditierung die Pflanzen stärken

    Mit meinen Feldversuchen mit transgenem Getreide trage ich dazu bei, die Krankheitsabwehr von Kulturpflanzen zu stärken. Die Vorteile liegen auf der Hand: Je besser sich die Pflanzen selber gegen die lokal vorhandenen Krankheitserreger schützen können, desto weniger Pestizide werden benötigt, um eine ertragsreiche Ernte zu garantieren.

    (Bild: Mario Waldburger) Feldversuch mit Weizen.

    Wie schützen sich Pflanzen gegen Krankheiten? Pflanzen haben keine Antikörper wie wir. Pflanzen haben andere Strategien entwickelt, um sich gegen krankmachende Viren, Bakterien und Pilze zu wehren. Diese erforschen wir in unserer Gruppe an der Universität Zürich. Wenn wir das Immunsystem der Pflanzen verstehen, können wir dieses Wissen nutzen, um die Krankheitsabwehr unserer Kulturpflanzen zu stärken. Dies kann mittels klassischer Züchtung geschehen.

    Genomeditierung – ein präzises Werkzeug
    Das momentan präziseste und schnellste Werkzeug dazu ist jedoch die sogenannte Genomeditierung. Die Genschere CRISPR/Cas, ein wichtiges Instrument für die Genomeditierung, wurde vor gut zehn Jahren entdeckt und die beiden Entdeckerinnen haben im Jahr 2020 dafür den Nobelpreis erhalten. Mittels CRISPR/Cas kann jede beliebige Sequenz im Genom eines Lebewesens gezielt angesteuert werden. Das war zuvor in dieser Einfachheit nicht möglich. Im Gegenteil: Will man mit den gängigen Methoden Änderungen im Genom vornehmen, ist dies eine eher ungenaue und langwierige Angelegenheit.

    (Bild: Teresa Koller) Feldversuch mit Gerste.

    Nicht so bei der Genomeditierung. Bei dieser können am angesteuerten Ort im Genom drei Veränderungen vorgenommen werden. Technisch mit Abstand am einfachsten sind Veränderung der Kategorie 1: da wird am Zielort im Genom ein unerwünschtes Gen ausgeschaltet. Kategorie 2 und 3 sind technisch anspruchsvoller. Bei Kategorie 2 wird am Zielort im Genom ein Gen verändert und bei Kategorie 3 wird am Zielort im Genom ein neues Gen eingefügt. Das neue Gen kann dabei entweder arteigen oder artfremd sein. Forschung und Entwicklung im Bereich der Genomeditierung stehen noch am Anfang. In den kommenden Jahrzehnten wird sich die Technik noch rasant weiterentwickeln.

    Kulturpflanzen vor Krankheiten schützen
    Wie schützen wir Menschen unsere Kulturpflanzen vor Krankheiten? Da ist einerseits die Resistenzzüchtung und andererseits der Einsatz von Pestiziden. Die Resistenzzüchtung (oder Selektion) ist fast so alt wie die Landwirtschaft selber. Seit Beginn der Landwirtschaft haben Menschen diejenigen Pflanzen ausgewählt, die robust und ertragsreich waren. Bis heute ist die Resistenzzüchtung sehr wichtig. Durch gezielte Kreuzungen und Rückkreuzungen werden erwünschte Gene in Elitesorten eingebracht oder durch ungezielte Mutationen werden unerwünschte Gene ausgeschaltet. Die Genomeditierung kann in der Resistenzzüchtung eingesetzt werden, um diese präziser und schneller zu machen. Unerwünschte Gene können ausgeschalten werden (Kategorie 1), kaputte Gene können repariert werden (Kategorie 2) oder erwünschte Gene können eingefügt werden (Kategorie 3).

    (Bild: Mario Waldburger) Mehltau auf Weizen.

    Kein Mehltau mehr
    Ein Beispiel von einem Gen mit unerwünschtem Effekt bezüglich Krankheitsanfälligkeit ist das Gen MLO. Ist MLO im Weizengenom vorhanden, kann der Mehltau sich dies zu Nutzen machen und den Weizen befallen. Der Mehltaupilz breitet sich auf der Pflanze aus und entzieht ihr Nährstoffe. Dies hat einen negativen Effekt auf den Ertrag. In der Schweiz kommt der Mehltau auf Weizen häufig vor und wird mit Fungiziden bekämpft. Einer Forschungsgruppe ist es nun gelungen, mittels der Genschere CRISPR/Cas MLO im Weizengenom auszuschalten. Das Resultat: Der Mehltau kann die Weizenpflanzen nicht mehr befallen, sie bleiben gesund. Durch die Ausschaltung eines einzelnen Gens kann sich der Weizen somit gegen die Krankheit Mehltau schützen.

    (Bild: Teresa Koller) Gerste von Rost befallen.

    Weniger Pestizide
    Dieses Beispiel zeigt die Anwendung von Genomeditierung der Kategorie 1 für die Resistenzzüchtung. Genomeditierung der Kategorien 2 und 3 können in der Resistenzzüchtung angewendet werden, um zum Beispiel bereits vorhandene Krankheitsresistenzgene zu verbessern oder um fehlende Krankheitsresistenzgene ins Genom von Elitesorten einzufügen. Aus der Forschung wissen wir, dass Pflanzenzellen bestimmte Rezeptoren besitzen, mit denen sie spezifische Krankheitserreger erkennen können und eine Immunabwehr auslösen. Werden solche Rezeptorgene verbessert oder neu eingefügt, kann sich die Pflanze ganz gezielt gegen Krankheitserreger wehren, die vom jeweiligen Rezeptorprotein erkannt werden. Somit erübrigt sich dann der Pestizideinsatz gegen diese Krankheitserreger.

    Neue Gesetze in der Schweiz
    Gelten Pflanzensorten, die mittels Genomeditierung gezüchtet wurden, als gentechnisch verändert? Diese Frage wird weltweit diskutiert. Japan und Kanada zum Beispiel handhaben es so, dass neue Pflanzensorte, die mittels Genomeditierung der Kategorie 1 und 2 entstanden sind, gesetzlich gleichbehandelt werden wie Pflanzensorten, die mittels klassischer Resistenzzüchtung (inkl. ungezielter Mutagenese) entstanden sind. In den USA wird eine Fall-zu-Fall-­Beurteilung vorgenommen. In Japan, Kanada und den USA sind die ersten genomeditierten Pflanzensorten bereits auf dem Markt. Je nach Land wird eher der Züchtungsprozess oder das Endprodukt oder das Risiko ins Zentrum der Beurteilung gerückt.

    Bisherige wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass von genomeditierten Pflanzensorten das gleiche oder sogar eher ein geringeres Risiko ausgeht, als von Pflanzensorten, die mittels klassischer Züchtung (inkl. ungezielter Mutagenese) entstanden sind. Wir sind noch weit davon entfernt, eine weltweit einheitliche Regelung der Zulassung von Pflanzensorten, die mittels Genomeditierung gezüchtet wurden, zu haben. In der Europäischen Union und in der Schweiz gelten momentan alle Pflanzensorten, die mittels Kategorie 1, 2 und 3 der Genomeditierung gezüchtet wurden, als gentechnisch verändert. Jedoch ist sowohl in der EU wie auch in der Schweiz eine Überarbeitung der Gesetzgebung im Gange. Für die EU wird eine Neubewertung Mitte dieses Jahres erwartet und für die Schweiz für Mitte 2024.

    Ertragreiche Ernte
    Aus Sicht der Wissenschaft ist die Genomeditierung eine Weiterentwicklung und Präzisierung der bisherigen Pflanzenzüchtung. Bei der Anwendung muss der Nutzen im Vordergrund stehen. In Bezug auf die Krankheitsresistenzzüchtung liegen die Vorteile auf der Hand: Je besser sich die Pflanzen selber gegen die lokal vorhandenen Krankheitserreger schützen können, desto weniger Pestizide werden benötigt, um eine ertragsreiche Ernte zu garantieren.

    Teresa Koller


    Teresa Koller ist Oberassistentin am Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie der Universität Zürich. Sie führt Feldversuche durch mit transgenem Getreide (Weizen, Gerste und Mais), das eine verbesserte Krankheitsresistenz aufweist.

    Vorheriger ArtikelTempo 30 – Angriff auf den motorisierten Verkehr
    Nächster ArtikelTrinkwasserversorgung der Bevölkerung im Bünz- und im Reusstal auf Jahrzehnte hinaus gesichert