Bundesbern eiert herum

    Nationalrat Matthias Samuel Jauslin über das parlamentarische Ringen bei den Agrarinitiativen

    (Bild: zVg) Jauslin in angeregter Diskussion zum Pro und Contra der Trinkwasserinitiative.

    Ende 2020 brachte der Ständerat die parlamentarische Initiative 19.475 «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» auf die Schiene. Er begründete die Notwendigkeit damit, dass die Sensibilität der Bevölkerung betreffend Einsatz von Pestiziden zugenommen habe. Dies sei in Anbetracht der Volksinitiative «für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung» und der Volksinitiative «für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide», über die am 13. Juni abgestimmt wird, zu beachten. Es sollte ein inoffizieller Gegenvorschlag mit schlagenden Argumenten gegen die zwei Agrar-Initiativen geschaffen werden. Unglücklicherweise baute die nationalrätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben Abschwächungen ein. Sie wollte bei den Abbauprodukten von Pflanzenschutzmitteln oder Pestiziden zwischen nicht relevanten und relevanten unterscheiden. Getrieben durch die Landwirtschafts-Lobby wurde ausgeblendet, dass man mit einer solchen Unterscheidung hinter das geltende Recht fällt. Diese Differenz konnte aber wieder korrigiert werden.

    Umfassender Schutz des Trinkwassers
    Ich habe für die erste Beratung im Nationalrat zwei Einzelanträge eingereicht. Dabei verlangte ich eine Offenlegungspflicht für alle Futtermittel- und Düngerlieferungen an Landwirtschaftsbetriebe. Eine solche ist notwendig, um eine ausgeglichene Nährstoffbilanz aufzuzeigen. Da diese Daten durch die Lieferanten digital erhoben werden, gäbe es für die Landwirtschaft sogar eine bürokratische Entlastung. Davon wollten die Vertreter des Bauernverbandes allerdings nichts wissen und weichten diese Offenlegungspflicht auf. Überdies kippte die vom Ständerat dominierte Einigungskonferenz meinen zweiten Einzelantrag betreffend Bestimmung der Zuströmbereiche zum Grundwasser komplett aus der Vorlage. Nationalrat, Bundesrat, die Baudirektorenkonferenz, die Landwirtschaftsdirektorenkonferenz und die Wasserversorger möchten eine solche Bestimmung in das Gesetz aufnehmen. Man war sich einig, dass nur bei Bekanntsein der Zuströmbereiche das Risiko beim Einsatz von Pestiziden richtig bewertet werden kann. Ohne diese Angaben ist ein umfassender Schutz des Trinkwassers nicht möglich. Doch der Ständerat erachtete diese Vernetzung als vernachlässigbar und will dieses Problem mit einer Motion später angehen.

    Weiterentwicklung der Agrarpolitik wird verschleppt
    Genau diese Haltung passt auch ins Bild der aktuellen Landwirtschaftspolitik: Spielen auf Zeit ist Trumpf. So schaffte es das Bundesparlament, die dringlich anstehende Diskussion zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) bis auf weiteres auszusetzen. Aber genau mit dieser AP22+ wäre es möglich gewesen, die Effizienz der Landwirtschaftsbetriebe zu stärken und die Umweltbelastung sowie den Verbrauch von nicht erneuerbaren Ressourcen weiter zu reduzieren. Das Pikante: Die Botschaft würde eigentlich genau diese Massnahmen enthalten, die sich als griffige Alternative zur Trinkwasserinitiative anbietet, jedoch mit der parlamentarischen Inititative 19.475 «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» nun verwässert werden.

    Was heute auf dem Tisch liegt, taugt nicht als inoffizieller Gegenvorschlag zur Trinkwasserinitiative. Vielmehr wird dieses Auf-Zeit-Spielen die Chance einer Annahme dieser Agrar-Initiative erheblich steigern. Vielleicht ist es einfach an der Zeit, sowohl dem Bundesrat wie auch dem Bundesparlament die Richtung vorzugeben. Schade, dass Bundesbern bei diesem Thema herumeiert.

    Matthias Samuel Jauslin,
    Nationalrat FDP

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